Marc kann es kaum fassen: Schon wieder steht Weihnachten vor der Tür. Der Bahnhof ist voll beleuchtet und die Straßen sind voller bunter Lichter. Immerhin etwas, auf das man sich in diesem Jahr verlassen kann. Das typische dichte Gedränge auf den Straßen und in den Läden ist allerdings nicht zu beobachten. Keine Menschenmengen, sie sich auf den Weihnachtsmärkten von einem Stand zum nächsten schieben. Alle bleiben in diesem Jahr auf Abstand. Geschenke werden nur noch online bestellt. Aber das hat Marc schon immer so gemacht. Er hat gar keinen Bock auf die ganze Geschenkeschlacht. Ab und zu trifft er sich mit seinem Kumpel und holt sich an der früheren Lieblingskneipe ein Bier zum Mitnehmen. Mit dem Feuerzeug geöffnet, der Kronkorken klimpert auf die Straße und Prost! Mit dem Döner um die Ecke geht es dann ab in den Park. Wenn die Abfalleimer dort wieder voll mit Pizzakartons und Dönerfolien sind, landet sein Müll auch gerne einfach mal daneben. Pech gehabt.

Es ist der erste Advent, die Sonne scheint und Marc spaziert durch die Straßen. Schon wieder sind alle Abfalleimer voll mit Müll. Da wirft er seinen leeren Coffee-To-Go in hohem Bogen in den nächsten Busch. „He!“, ruft da eine Stimme. Marc erschrickt kurz aber es ist nur ein kleiner bärtiger alter Mann. „Ich will dir mal eine Geschichte erzählen, mein Lieber.“ Marc weiß nicht so recht, aber der Mann wirkt weder verärgert noch genervt. Mit einer ruhigen Stimme und einem Lächeln im Gesicht kommt der alte Mann langsam näher. „Ich habe 35 Jahre lang für die Straßenreinigung gearbeitet. Das war eine tolle Zeit. Aber früher sah die Welt auch noch anders aus. Ich bin leider verabredet. Aber komm doch nächste Woche wieder hier vorbei, dann setzen wir uns hier vorne auf die Bank. Dann erzähle ich dir von früher.“ Eigentlich möchte Marc sagen, dass er keine Zeit hat, viel zu tun, Termine. Aber das ist nicht wahr. Ihm fehlen die Kontakte, die Menschen, mit denen er sich nicht mehr treffen kann. „Na gut, aber nur auf Abstand.“, sagt er. „Aber selbstverständlich, ich bin ja nicht lebensmüde“, lacht der alte Mann. „Ich bin übrigens Alfred.“ „Dann bis nächste Woche, Alfred“, sagt Marc. „Selbe Zeit, selber Ort.“ Alfred antwortet: „Genau, ich freu mich schon!“ Dann gehen sie beide ihrer Wege und Marc ist schon ganz gespannt auf den nächsten Sonntag.

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